Einführung
Der Ausbruch der neuartigen Coronavirus-Epidemie hat die Funktionsweise der Gesundheitssysteme auf der ganzen Welt verändert. Bis dato war es für uns selbstverständlich, mehrere Laboruntersuchungen wie eine Langzeit-EKG-Überwachung oder eine Echokardiographie durchführen zu können. Nun aber wurde der Zugang zu diesen Einrichtungen radikal eingeschränkt, da sie jetzt für einen anderen Zweck genutzt werden – als Waffe im ungleichen Kampf gegen das Virus.
Einblick in die Pathogenese von SARS-Cov-2
Die ersten Patienten wurden Anfang Dezember 2019 in der chinesischen Stadt Wuhan, die bis dahin für ihr Institut für Virologie bekannt war, mit COVID-19 diagnostiziert. Nach der weltweiten Ausbreitung des Erregers entwickelten die meisten Fälle ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS), aber viele Gesundheitszentren haben auch das Vorhandensein einer Herzmuskelbeteiligung1 gemeldet, die zu akuten Herzverletzungen, Herzversagen und Arrhythmien führte. Patienten mit vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, koronarer Herzkrankheit und Herzrhythmusstörungen weisen Berichten zufolge eine schlechte Prognose und höhere Einweisungsraten auf Intensivstationen (IST) als der Rest der Bevölkerung auf.2 Es gibt zahlreiche pathogenetische Hypothesen für eine durch SARS-Cov-2 verursachte Myokardschädigung, einschließlich der molekularen Bindung an ACE2-Rezeptoren, die nicht nur auf Lungenbläschen, sondern auch auf Kardiomyozyten vorhanden sind, und deren Invasion3; Zytokinstürme als Folge einer Lungeninfektion, die zu einer dramatischen Zunahme von Entzündungssignalen führen, die andere Organe schädigen4, 5; sowie Nebenwirkungen auf vorgeschlagene Behandlungen.
Herzbeteiligung bei COVID-19
In der Vergangenheit durchgeführte Beobachtungsstudien haben gezeigt, dass eine direkte Herzbeteiligung bei COVID-19 zu Symptomen bei Patienten beiträgt und zu langfristigen Ergebnissen aufgrund der Zerstörung von Herzgewebe führen kann.6, 7 Berichte von italienischen Forschern7 verkündeten, dass viele Menschen mit dem bestätigten Vorhandensein von SARS- Cov-2 während der Isolation gestorben sind, was auf einen plötzlichen Herztod (SCD) und arrhythmische Ereignisse zurückgeführt werden kann. Beide Merkmale werfen ernsthafte Fragen dazu auf, ob das Virus in Wahrheit nicht ein Herz-Serienmörder ist. Darüber hinaus gibt es noch weitere gefährdete Gruppen, die außerhalb des Krankenhauses sorgfältig überwacht werden sollten – Patienten mit vorbestehenden Herzrhythmusstörungen, wie beispielsweise in Gruppen, die von einer internationalen Gruppe von Arrhythmie-Experten vorgeschlagen wurden.8 Der Einsatz einer Langzeit-EKG-Überwachung scheint ein potenziell nützliches Instrument für diese Patienten zu sein. Zunächst einmal muss ein Langzeit-EKG nicht in Anwesenheit des Patienten vor Ort durchgeführt werden, denn dabei kann auf Remote-Techniken zurückgegriffen werden. Darüber hinaus scheint es sich hierbei um ein zuverlässiges Instrument zu handeln, mit dem das Arrhythmie-Risiko nicht nur in der akuten Phase bewertet, sondern auch zur Beurteilung von Langzeitkomplikationen aufgrund von Herzmuskelfibrose herangezogen werden kann.
Therapeutische Überlegungen
Viele Zentren haben Behandlungsoptionen für die neuartige Krankheit vorgeschlagen. Bisher gibt es keine erregerspezifische Heilung, und die vorgeschlagenen Medikamente umfassen zahlreiche pharmakologische Wirkstoffe, die hauptsächlich darauf abzielen, eine Entzündungsreaktion zu blockieren und so den anhaltenden Zytokinsturm abzuschwächen. Zu den Substanzen, die in Kliniken auf der ganzen Welt experimentell verwendet werden, gehören am häufigsten starke Wirkstoffe, die in der Rheumatologie verwendet werden, wie etwa die Chininderivate Chloroquin und Hydroxychloroquin, das Makrolid-Antibiotikum Azithromycin9 und direkte antivirale Wirkstoffe wie Ribavirin, Remdesivir, Oseltamivir, Lopinavir/Ritonavir und andere.10 Es wird berichtet, dass Anti-Malaria-Mittel bei der Verhinderung des akuten Atemnotsyndroms erfolgreich sind, aber das Spektrum ihrer Nebenwirkungen umfasst eine Verlängerung des QT-Intervalls und eine Fehlfunktion des Erregungsleitungssystems des Herzens aufgrund einer verlängerten Dauer der Depolarisation. Azithromycin hat ein Potenzial zur Verursachung unter Umständen tödlicher Arrhythmien, die zu einem plötzlichen Herztod führen.11 In einer normalen klinischen Umgebung würde die Kombination dieser Wirkstoffe ernsthafte Fragen aufwerfen, aber die Konfrontation mit einer tödlichen und zuvor unbekannten Krankheit stellt uns vor eine völlig andere Situation. In einer webbasierten Mitteilung, die vom American College of Cardiology unterstützt wird, haben Simpson et al. einen Schadens- und Risikominderungsalgorithmus für Ärzte vorgeschlagen, die diese medizinischen Wirkstoffe verwenden.12 Dennoch sollte betont werden, dass das Risiko beträchtlich ist und die Patienten regelmäßig per EKG untersucht werden müssen.13 Zu den möglichen Lösungen gehört auch das Langzeit-EKG, ein bewährtes und benutzerfreundliches Instrument zur Überwachung von Arrhythmien und Änderungen des QT-Segments. Neuartige Geräte, wie Rhythmuspflaster und benutzerfreundlich konstruierte Rekorder, die für die Langzeitüberwachung verwendet werden, bieten eine einfache Möglichkeit zur Kommunikation mit dem medizinischem Fachpersonal. Medizinische Algorithmen können in Anbetracht des Ärztemangels die Bewertung von aufgezeichneten Signalen unterstützen. Ihr Einsatz sollte unbedingt in Betracht gezogen werden, da sich die Krankheit ausbreitet und eine noch engere Zusammenarbeit der medizinischen Industrie und des medizinischen Fachpersonals erforderlich ist.
Fazit
Die Ausbreitung von COVID-19 ist nicht nur aufgrund seines akuten Auftretens, sondern auch aufgrund der langfristig verursachten Schädigungen eine Bedrohung für die Gesundheitssysteme weltweit. Arrhythmische Komplikationen gehören zum Erscheinungsbild der Erkrankung und sollten in Diagnose- und Behandlungsalgorithmen berücksichtigt werden. Die Überwachung durch ein Langzeit-EKG scheint eine praktikable Methode zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen zu sein, die bei von SARS-Cov-2 betroffenen Patienten auftreten.
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